Frankfurter Zukunftskongress

Keine Träne im Ozean

Ihr Ansprechpartner: Karl-Heinz Schulz Karl-Heinz Schulz

Eine Nachbetrachtung zum Frankfurter Zukunftskongress von Karl-Heinz Schulz

Was haben wir da eigentlich erlebt? „Ein Feuerwerk von Ideen, ich wusste gar nicht, was ich als erstes tun sollte.“ – „Boah, das gab so viel Energie, ich musste danach erst mal ins Freie, eine Runde drehen.“ Zwei spontane Stimmen noch am Abend des 23. Februar. Ein paar Tage später sagte uns ein Teilnehmer: „Ich habe auf dem Kongress die Lösung für ein schwieriges berufliches Problem gefunden, das mich schon lange beschäftigt hat.“ Sieht so aus, als wäre da ein Konzept aufgegangen. In der Tat gab es für unsere beiden Redner viel Lob, und besonders gerühmt wurde der rasche Wechsel. Dreimal gingen die beiden nacheinander ans Pult, dreimal für je 10 Minuten. Richard David Precht war selbst überrascht: „Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut funktioniert.“ „Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören“, sagte ich ihm anschließend, musste aber zugeben, dass mir „fast philosophy“ auch exzellent mundete. So prägnant die Kernbotschaften, die er zu unseren drei großen Transformationsthemen formulierte, dass wir Stoff genug für Jahre haben.

 

Mit Emotionen punkten

Digitalisierung zuerst: Klar wissen wir alle, dass nach der Handarbeit auch der Kopf zur Disposition steht, wenn KI erst mal richtig zu Werke geht. Aber nicht unsere Emotionen. Arbeit, die stark auf emotionaler Kompetenz beruht, glaubt Precht, wird noch ziemlich lange nicht, wenn überhaupt je, substituiert werden können. Das schließt den Wert von gutem Fake nicht aus, wie jetzt schon in der Pflege von dementen Menschen zu erleben. Problem: Viele Bürojobs werden entfallen, und die emotionalen Jobs werden grade viel beklatscht, aber noch längst nicht alle richtig gut bezahlt. Seine Lösung: Grundeinkommen!

 

Die Zeit der Ausreden ist vorbei

Planet Erde: Alles, was wir heute wissen, sagt der Philosoph, war auch schon vor vierzig Jahren klar. Und wo stünden wir, wenn wir es damals angepackt hätten? Jetzt aber sind alle Probleme so groß, dass jeder Akteur seinen eigenen Beitrag leicht für unbedeutend halten und auf andere verweisen kann: Wir emittieren doch nur zwei Prozent aller Klimagase. Aber die Amerikaner, die Chinesen... So setzt sich der Eskapismus fort, und das funktioniert noch eine Weile, denn die Allmende ist nicht gänzlich abgeweidet. Noch nicht. Und Franca Parianen: Die Neurowissenschaftlerin sorgte mit ihrem Power-Slam für Begeisterung im Netz. Und zeigte uns, was das Belohnungssystem in unserem Kopf alles an Glückshormonen für uns bereithält, wenn wir kooperieren. Aber klar: Wir können auch anders – wenn die Gruppe das höher hängt. Botschaft für unsere Großgruppe Gesellschaft: umdenken!

 

Arbeit und Freiheit: Geht das?

New Work zum Schluss: Da waren sich beide einig. Der logische nächste Schritt in der Arbeitswelt wäre die Realisierung von Freiheit. Klingt erst mal kühn und wird für viele Menschen auf diesem Planeten mutmaßlich noch lange ein Luxusmodell bleiben. Aber warum nicht schon mal anfangen: mit der Freiheit zu denken, der Freiheit zu reden? Das war für die vielen unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit denen wir seither über den ersten Frankfurter Zukunftskongress gesprochen haben, wohl die größte Überraschung: „Ich hätte nie gedacht, dass auch die Talkrunden so lebendig würden“, sagte eine, und ein anderer: „Respekt, wie gut sich die Talk-Gäste geschlagen haben.“ Sogar Kontroverse gab es, wie Precht hinterher befriedigt feststellte. Beim Grundeinkommen bekam er Contra. In der Tat ist dies der Dreh- und Angelpunkt unseres Konzepts: die hehren Theorien kluger Köpfe, Wissenschaftlerinnen, Philosophen auf den Prüfstand zu stellen. Abzuklopfen auf Praxistauglichkeit – und wer könnte das besser als die Praktiker aus den Unternehmen und Organisationen, die dort sind, wo der Wandel Wirklichkeit werden muss?

 

Tummelplatz Denkräume

Das taten sie nicht nur am Dienstag in den Talkrunden, sie taten es auch in großer Zahl in den 12 Denkräumen am Mittwoch. Und manche rieben sich die Augen: diskutieren mit 50, 70, ja 130 und 140 Leuten auf Zoom? Geht das? Es ging, vor allem, wenn Untergruppen gebildet wurden, sogenannte Breakout-Sessions. Freilich: Eine Dreiviertelstunde ist dann sehr knapp, und viele schalteten ihre Kamera aus und schrieben in den Chat: „Sorry, aber sonst ist mein Wi-Fi zu schwach.“ Soviel zu Deutschland digital, aber immerhin war genau dies ja Thema in unserem Denkraum Smart Region FRM. So wie die Verkehrswende, die Substitution von Plastik, Green Finance, Internet, Innovation und gute Führung in anderen Denkräumen. Eigentlich fast alles, was die Region für ihre Zukunft braucht. Ja, auch die Technik hat begeistert: „Das war ja wie ARD und ZDF.“ Muss es auch sein, wenn man digitale Formate etablieren will, denn im Netz gelten die Sehgewohnheiten des Fernsehens. Und das Ganze noch mal für wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer? 600? Nicht schlecht für den Anfang.

 

Raus aus den Kästchen!

Andererseits: Wie können wir hoffen, dass wir damit mehr sind als eine Träne im Ozean? Denn so wie es in dieser vitalen und quirligen Region für alles und jeden etablierte Kanäle und Plattformen gibt und zwar mehrfach, so werden wir nun auch noch mit Gratisangeboten für Online-Veranstaltungen geflutet. Braucht es da zusätzlich noch einen Frankfurter Zukunftskongress? Unser Vorschlag: probieren wir es aus. Nutzen wir die digitale Spielwiese, die wir uns hier geschaffen haben, um raus zu kommen aus den Kästchen. Denn der herrschaftsfreie Diskurs, von dem Jürgen Habermas träumte, ist immer noch, wie ihm schon Michel Foucault um die Ohren haute, genau das: eine Träumerei. Alle Plattformen und Kanäle haben ihren Platz im Machtgefüge, und selbst in den Kästchen sind die Diskurse vermachtet. Und so könnten wir den Frankfurter Zukunftskongress nicht nur nutzen, um in digitalen Formaten fitter zu werden (wir werden das brauchen). Wir könnten auch versuchen, auf dieser Plattform spielerisch und halbwegs herrschaftsfrei miteinander umzugehen. Denn Gruppen, die miteinander kooperieren, sind kreativ. Und garantiert keine Tränen.

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